Nicht zweimal
„Nicht zweimal“ – kurz für „nicht zweimal in derselben Sache“ (lateinisch: ne bis in idem) – steht für das „Mehrfachbestrafungsverbot“, ein strafverfahrensrechtlicher Grundsatz, der – mit einigen unrühmlichen Unterbrechungen – seit der Zeit des Römischen Reiches, also seit über 2000 Jahren, in den meisten Rechtsordnungen gilt.
„Mehrfachbestrafungsverbot“ bedeutet, dass die Rechtskraft eines Urteils (rechtskräftig ist ein Urteil, wenn das Urteil nicht mehr durch Berufung oder Revision anfechtbar ist) dazu führt, dass der zugrunde liegende Sachverhalt nicht erneut Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden darf. Dies gilt im Strafrecht unabhängig davon, ob Angeklagte schuldig- oder freigesprochen werden. In Deutschland hat das Mehrfachbestrafungsverbot den Rang eines grundrechtsgleichen Rechts und ist in Art. 103 III GG geregelt.
Das Mehrfachbestrafungsverbot regelt das Verhältnis von staatlichem Strafverfolgungsanspruch und dem Schutz des Vertrauens der Betroffenen in den Fortbestand des gegen sie ergangenen Urteils. Im Grundsatz sollen Schuldig-/Freigesprochene nicht fürchten müssen, dass der Staat noch einmal gegen sie vorgeht.
Doch dieser Grundsatz kennt schon jetzt Ausnahmen. So kann das Verfahren sowohl gemäß § 359 StPO zugunsten Verurteilter als auch – unter strengeren Voraussetzungen – gemäß § 362 StPO zuungunsten Verurteilter oder Freigesprochener wiederaufgenommen werden; dies ist – mit dem Wortlaut von § 362 StPO – der Fall,
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wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
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wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
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wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat (§ 362 Nr. 1–3 StPO);
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wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird.
In den Alternativen der Nr. 1-3 litt das Ursprungsverfahren an gravierenden rechtsstaatlichen Mängeln. Bei Nr. 4 litt das Verfahren nicht an gravierenden Mängeln; hier soll vielmehr verhindert werden, dass sich zu Unrecht Freigesprochene später ihrer Tat berühmen und so ihre Opfer und die Angehörigen verhöhnen (ausführlich, auch zu den historischen Hintergründen: Marxen/Tiemann ZIS 4/2008, S. 188 (189)).